EU-Behindertenausweis - Ein erster Schritt zu EU-Freizügigkeit für alle

06.09.2023

Zum Gesetzesentwurf der EU-Kommission: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52023PC0512 

Heute stellte  die EU-Kommission ihren Entwurf zum EU-Behindertenausweis vor. Seit Anfang der Legislaturperiode fordern wir Greens/EFA einen starken EU-Behindertenausweis, der es Menschen mit Behinderung grenzüberschreitend in der EU möglich macht bisher nur national geltende Vorteile und Hilfen zu nutzen. 

Grüne Europaabgeordnete Katrin Langensiepen, Koordinatorin für die Rechte von Menschen mit Behinderungen des EU-Parlaments, konnte bereits einen Blick in den Text werfen und kommentiert: 

“Unsere Vorgespräche haben sich gelohnt: Die Kommission hat einen soliden Aufschlag zum EU-Behindertenausweis auf den Tisch gelegt, der klar über Symbolpolitik hinaus geht und einen echten Unterschied für Menschen mit Behinderungen machen wird, die in einen anderen europäischen Mitgliedstaat reisen. 

Mit dem neuen Ausweis in Papier und Digitalform sollen Menschen mit Behinderungen von allen öffentlichen Vorteilen, die jeweils national gelten, profitieren. Das betrifft nicht nur den Bereich Kultur, sondern beispielsweise auch Vergünstigungen im Nahverkehr, Assistenzleistungen im Zug oder Vergünstigung auf der Autobahn.


Der Text ist keine Verordnung, aber immerhin eine Richtlinie, das heißt ein legislativ bindender Text für die Mitgliedstaaten, der in nationales Recht übertragen werden muss. So haben wir es immer wieder gefordert.

Leider ist nicht alles an diesem Vorschlag Gold was glänzt: Die große Schwachstelle des Kommissionsvorschlag ist, dass er sich keinerlei auf Sozialleistungen und Hilfen in der Berufswelt bezieht - sicherlich eine Strategie der EU-Kommission, um Kompetenz-Diskussionen mit den Mitgliedstaaten aus dem Weg zu gehen und den Kopf vor dieser höchst wichtigen Debatte zu ducken.
Trotzdem sind wir der Meinung, dass es zumindest wegweisend wichtig ist, auf Sozialleistungen Bezug zu nehmen. Gerade für Menschen mit Behinderungen, die sich für ein Praktikum, einen Erasmus-Aufenthalt oder ein Studium im europäischen Ausland befinden, muss eine Übergangslösung gefunden werden. 

Es kann nicht sein, dass sie erst einen monatelangen, oft demütigen, nationalen Prüfungsprozess durchlaufen müssen, bevor sie entsprechende Hilfen, Assistenz oder angemessene Vorkehrungen am Arbeitsplatz in Anspruch nehmen können.
Langfristig muss der EU-Ausweis auch Anspruch auf diese Leistungen geben. Nur dann ist es ein Meilenstein für die Rechte von Menschen mit Behinderung.

Eine andere Fragestellung wird sein, wie der Ausweis an die Leute kommt  und wer den Ausweis in Anspruch nehmen kann.
Idealerweise sollten wir eine europäische Definition und Leitlinien auf Grundlage der WHO haben, damit so viele Menschen wie möglich, vielleicht auch Menschen mit Behinderungen, die bisher national ausgeschlossen wurde, Anspruch auf den Ausweis haben - egal ob mit sichtbarer oder nicht-sichtbarer Behinderung. 

Wichtig ist es, sich vor Augen zu führen, dass mit diesem ersten Aufschlag des EU-Behindertenausweises nicht alle Probleme zur EU-Freizügigkeit gelöst werden. 

Es ist ein Start zu voller, gleichberechtigter EU-Freizügigkeit für Menschen mit Behinderungen. Wir müssen darauf aufbauen und kontinuierlich weiterarbeiten.”