Pflegegrad 1 auf dem Prüfstand: 860.000 Menschen droht massiver Rückschlag
Die Bundesregierung scheint die Abschaffung des Pflegegrads 1 zu planen. Davon wären über 860. 000 Menschen betroffen, die derzeit wegen leichter Beeinträchtigungen Anspruch auf kleinere Hilfen und Zuschüsse haben. Hintergrund ist die angespannte Finanzlage der Pflegeversicherung, die mit steigenden Ausgaben und einer wachsenden Zahl Pflegebedürftiger konfrontiert ist.
Europaabgeordnete Katrin Langensiepen kommentiert: „Die aktuelle Diskussion in der Bundesregierung gefährdet fundamentale Rechte von Pflegebedürftigen. Pflegegrad 1 ist für viele die einzige verbindliche Anerkennung ihrer Hilfsbedürftigkeit. Deshalb fordere ich, dass die Bundesregierung diese Pläne sofort stoppt und stattdessen sicherstellt, dass Pflegegrad 1, im Einklang mit den europäischen Grundrechten, der Menschenwürde und den bestehenden EU-Standards, gestärkt wird."
Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert das Recht auf Zugang zu Leistungen für soziale Sicherheit und soziale Unterstützung in Fällen von Pflegebedürftigkeit. Auch die Europäische Säule Sozialer Rechte verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, Langzeitpflege von hoher Qualität und erschwinglich anzubieten. In den Empfehlungen des Rates von 2022 wird zudem betont, dass Pflegeleistungen zugänglich, bezahlbar und von guter Qualität sein müssen.
„Dazu gehört auch, dass der Zugang über die niedrigeren Pflegegrade gesichert bleibt. Hilfen können Verschlechterungen verhindern und so auch langfristig Kosten für das Gesundheitssystem reduzieren. Ohne Pflegegrad 1 drohen viele Menschen von Unterstützungsleistungen ausgeschlossen zu werden, was ihre soziale Teilhabe und ihre Würde massiv beeinträchtigen würde. Gleichzeitig würden insbesondere Frauen noch stärker in die häusliche, unbezahlte Pflege gedrängt, da Versorgungslücken aufgefangen werden müssten. Es ist nicht die Verantwortung von Frauen, die Defizite im Haushalt auszugleichen. Diese Verschiebung der Belastung verschärft bestehende Ungleichheiten erheblich.
Die Bundesregierung hat die Verantwortung, den Pflegegrad 1 eindeutig zu sichern und zu prüfen, wie dieser Bereich gestärkt werden kann. Zum Beispiel durch gezieltere Leistungen, niedrigschwellige Zugänge und eine bessere Einbindung der Betroffenen in die Ausgestaltung der Maßnahmen. Deutschland darf nicht hinter den europäischen Standards zurückfallen. Pflege ist kein Luxus, sondern ein grundlegender Bestandteil unserer sozialen Verantwortung."