COVID-19 - Triage

Menschen mit Behinderung fürchten um ihre Existenz

06.04.2020

Wer wird beatmet, wer nicht?
Diese Fragen beantwortet die interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin in ihrem klinisch-Ethischen Empfehlungen vom 25.03.2020 (hier).
Das Ergebnis ist erschreckend.
So soll die Priorisierung der Patient*innen nach Erfolgsaussicht erfolgen. Gebrechlichkeit und Lebenserwartung spielen als Kriterien bei der Abwägung mit. Für Menschen mit bestimmten Behinderung bedeutet dies eine pauschale Abwertung und geringe Chancen auf eine Behandlung. In anderen europäischen Ländern passiert dies teilweise schon. Erst kürzlich wurde Patienten mit Down-Syndrom in Spanien eine Behandlung auf der Intensivstation verweigert. Der Grund: eine geringere Lebenserwartung.

Katrin Langensiepen von Bündnis 90/Die Grünen, einzige weibliche Europaabgeordnete mit sichtbarer Behinderung und Vize-Vorsitzende des Sozialausschusses fordert, dass die deutschen Fachgesellschaften die veröffentlichten Empfehlungen zurücknehmen: 

„Diese Empfehlungen verstoßen klar gegen den Gleichheitsgrundsatz der Allgemeinen Erklärung der Menschenrecht und der UN-Behindertenrechtskonvention zu denen sich die Europäische Union und all ihre Mitgliedstaaten verpflichtet haben. Auch wenn Menschen mit Behinderung nicht explizit genannt werden, werden sie hier klar diskriminiert. Menschenleben darf nicht gegen Menschenleben ausgespielt werden. Keiner kann bewerten, welches Leben lebenswert ist oder nicht. Patient*innen, die mit Erfolgsaussicht behandelt werden können, müssen gleichberechtigte Chancen erhalten. Das gilt auch und gerade in Krisenzeiten. Was mich besonders schockiert ist, dass diese Empfehlung öffentlich kaum kommentiert wurde. Dabei müsste ein Aufschrei durch die Gesellschaft gehen. Letzte Woche habe ich ein Webinar zum Thema Risikogruppen organisiert. Die Existenzängste von Menschen mit Behinderung und ihren Angehörigen sind groß. Da kommen schnell Assoziation zu früheren Zeiten hoch. Wir dürfen nicht zulassen, dass es zu solch einer „Aussortierung“ und Stigmatisierung kommt. Deutschland hat sich rechtlich zu Gleichberechtigung und Nicht-Diskriminierung verpflichtet. Im Zweifelsfall muss auf UN-Ebene geklagt werden.“