Einen Tag Teilhabe, 364 Tage systemische Ausgrenzung

Die Schichtwechsel Aktion ist performative Inklusion, keine echte Veränderung

22.09.2025

Der „Aktionstag Schichtwechsel" findet bundesweit am 25. September 2025 statt und wird von der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e.V. (BAG WfbM) organisiert. An diesem Tag tauschen Menschen mit und ohne Behinderung für einen Tag ihre Arbeitsplätze, um neue Perspektiven zu gewinnen und Vorurteile abzubauen. In diesem Jahr beteiligen sich rund 200 Werkstätten für behinderte Menschen zusammen mit zahlreichen Unternehmen an dieser Initiative.

Europaabgeordnete Katrin Langensiepen sieht diese Aktion kritisch: „Diese Aktion wird oft als Fortschritt in Richtung Inklusion gefeiert. Doch bei genauerem Hinsehen bleibt sie ein symbolischer Akt, der von den eigentlichen Problemen ablenkt. Ein einmaliger Arbeitsplatztausch mag Begegnungen schaffen und Berührungsängste abbauen, aber er ändert nichts an den Strukturen, die Menschen mit Behinderungen tagtäglich ausgrenzen. Solange Werkstätten für Menschen mit Behinderungen weiterhin Orte sind, an denen Menschen arbeiten, ohne Arbeitnehmerstatus, ohne gerechte Bezahlung und ohne echte Perspektive auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, dürfen wir uns nicht mit symbolischen Gesten zufriedengeben. Es besteht die Gefahr, dass Unternehmen und Öffentlichkeit eine solche Aktion als Beleg für Inklusion begreifen, während sich in der Realität nichts ändert."

Hinzu kommt, dass dieser Aktionstag den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention widerspricht:  „Die UN-BRK fordert eine volle, gleichberechtigte und wirksame Teilhabe am Arbeitsleben. Symbolische Arbeitsplatzwechsel, die keine nachhaltige Veränderung schaffen, sondern bestehende Sonderstrukturen wie Werkstätten zementieren, stehen diesem Anspruch entgegen."

„Gerade diese Aktion führt uns vor Augen, dass Menschen mit Behinderungen selbstverständlich in der Lage sind, im allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten. Sie beweist, dass es nicht an den Fähigkeiten der Menschen scheitert, sondern an den Strukturen. Doch anstatt diese Erkenntnis zu nutzen, werden die Beteiligten nach einem Tag wieder in Werkstätten zurückgeschickt, Firmen stellen danach nicht automatisch Menschen aus Werkstätten ein, die Gewerkschaften sind nicht plötzlich aufmerksamer wenn es um die Tätigkeiten geht oder fordern eine Anerkennung eines Arbeitnehmer*innenstatus. Dieses Hin und Her macht die Absurdität des Systems deutlich. Wir erkennen die Fähigkeiten an, verweigern aber die Konsequenzen.

Wahre Teilhabe bedeutet nicht einen Tag des Perspektivenwechsels, sondern einen dauerhaften Wandel hin zu barrierefreien Arbeitsplätzen, fairer Bezahlung, verlässlicher Assistenz und echter Mitbestimmung. Menschen mit Behinderungen dürfen nicht nur eingeladen werden, mitzuspielen, wenn es um symbolische Aktionen geht, sie müssen in alle Entscheidungen eingebunden sein, die ihr Leben betreffen. Wir brauchen keine Beruhigungspillen, wir brauchen eine konsequente Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und inklusive Strukturen, die den Alltag von Menschen mit Behinderungen dauerhaft verbessern. Nur so können wir von einer gleichberechtigten Gesellschaft sprechen, in der Teilhabe nicht inszeniert, sondern gelebt wird."