UN-Behindertenrechtskonvention: UN prüft EU in Genf

10.03.2025

Rechte von Menschen mit Behinderungen? Not our business? 
UN nimmt EU in die Pflicht 

Ab morgen prüft die UN in einer Anhörung in Genf, ob die EU ihre Verpflichtungen in Bezug auf die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) einhält.
2023 hatte mehr als jeder vierte Mensch in der EU (über 16 Jahre) eine Behinderung (26,8%). 

Die Europäische Kommission wurde vor kurzem massiv von NGOs und EU-Parlament dafür kritisiert, dass sie ihren Vorschlag für eine EU-Antidiskriminierungsrichtlinie aus ihrem Arbeitsprogramm genommen hat. Seit 16 Jahren wird dieser Vorschlag im Rat blockiert - neben Italien und Tschechien, insbesondere von Deutschland. 

Die Grüne Europaabgeordnete Katrin Langensiepen, selbst die einzige weibliche EU-Abgeordnete mit sichtbarer Behinderung und Vorsitzende des UN-BRK Networks, vertritt das Europäische Parlament vor Ort. Sie kommentiert: 

“Trotz positiver EU-Initiativen wie beispielsweise dem European Accessibility Act oder der neue EU-Behindertenausweis, scheitert die EU daran, die Rechte von Menschen Behinderungen zu garantieren. In vielen Situation werden wir weiterhin als Bürger*innen zweiter Klasse behandelt.

Es fehlt immer noch ein starken legislativen EU-Rahmen, um Menschen mit Behinderungen vor Diskriminierung zu schützen. 
Umso skandalöser und peinlicher, dass die EU-Kommission vor drei Wochen den Vorschlag zur EU-Antidiskriminierungsrichtlinie aus ihrem Arbeitsprogramm genommen hat.
Gerade Deutschland sollte die UN-Anhörungen als Weckruf nehmen, diese Blockadehaltung aufzuheben.


Die EU-Kommission ihrerseits sollte die UN-Anhörung als Impuls nutzen, neue ambitionierte EU-Gesetze auf den Weg bringen.

Gerade beim Punkt De-Institutionalisierung muss es vorangehen. Statt Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen abzuschotten, muss die EU selbstbestimmtes Leben fördern. Wir brauchen einen EU-Ausstiegsplan aus veralteten Strukturen. Kein EU-Geld sollte mehr in Einrichtungen fließen. Stattdessen muss Assistenz und persönliches Budget EU-weit gefördert werden.

Dafür brauchen wir eine Erweiterung der Initiativen der EU-Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2021-30.

Auch Lücken in den Punkten EU-Freizügigkeit, Barrierefreiheit, Inklusion auf dem Arbeitsmarkt und Schutz vor Gewalt - gerade in Bezug auf Frauen mit Behinderungen - müssen geschlossen werden. 

Zwangssterilisierung von Mädchen und Frauen mit Behinderungen muss endlich EU-weit kriminalisiert werden. 

Echte EU-Freizügigkeit gilt immer noch nicht für Menschen mit Behinderungen. Mangelnde Barrierefreiheit und Harmonisierung zwischen den Mitgliedstaaten führen dazu, dass Menschen mit Behinderungen nicht frei entscheiden können, wo sie wohnen und arbeiten möchten.

Hier müssen wir bereits jetzt daran arbeiten, wie wir auf dem EU-Behindertenausweis aufbauen und das “AccessibleEU Centre" zu einer echten EU-Agentur weiterentwickeln können.” 


Hintergrund zur UN-Anhörung: 

Die UN-Behindertenkonvention (UN-BRK) ist die erste Menschenrechtskonvention, der die EU als Verbund beigetreten ist (2010). 

Wie alle anderen Vertragsstaaten muss auch die EU der UN berichten, wie sie ihren Verpflichtungen nachkommt.
In den nächsten zwei Tagen werden Dialoge zwischen Beamten der Europäischen Union und einem Expertenausschuss stattfinden.
Die abschließenden Bemerkungen der UN werden für April erwartet. 

Die Anhörung kann ab Dienstag (11.03.) 15:30 hier live mitverfolgt werden: https://webtv.un.org/en/asset/k14/k146hoxars

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Rights of people with disabilities? Not our business?
UN reminds the EU of its obligations 

In 2023, more than one in four people in the EU (over the age of 16) had a disability (26.8%). 
Tomorrow, the UN will hold a hearing in Geneva to examine whether the EU is fulfilling its obligations with regard to the UN Convention on the Rights of Persons with Disabilities (CRPD).

The European Commission was recently heavily criticised by NGOs and the EU Parliament for withdrawing its proposal for an EU Equal Treatment Directive from its work programme. This proposal has been blocked in the Council for 16 years -  Italy, the Czech Republic and Germany are blocking. 

Green MEP Katrin Langensiepen, herself the only female MEP with a visible disability and Chair of the UN CRPD Network, is representing the European Parliament in Geneva. She comments: 

‘Despite positive EU initiatives such as the European Accessibility Act or the new EU disability card, the EU is failing to guarantee the rights of people with disabilities. In many situations, we continue to be treated as second-class citizens.

There is still a lack of a strong EU legislative framework to protect people with disabilities from discrimination. 

This makes it all the more scandalous and embarrassing that the EU Commission withdrew the proposal for the EU Equal Treatment Directive from its work programme three weeks ago.

Germany in particular should take the UN hearings as a wake-up call to lift this blockade.

For its part, the EU Commission should use the UN hearing as an impulse to initiate new, ambitious EU legislation.

Progress must be made on de-institutionalisation in particular. Instead of isolating people with disabilities in institutions, the EU must promote independent living. We need an EU exit plan from outdated structures. No more EU money should be channelled into institutions. Instead, assistance and personal budgets must be promoted throughout the EU.

To achieve this, we need an expansion of the initiatives of the EU Disability Strategy 2021-30.

Gaps in the areas of EU freedom of movement, accessibility, inclusion in the labour market and protection against violence - especially with regard to women with disabilities - must also be closed. 

Forced sterilisation of girls and women with disabilities must finally be criminalised throughout the EU.

Genuine EU freedom of movement still does not apply to people with disabilities. A lack of accessibility and harmonisation between member states means that people with disabilities are not free to choose where they want to live and work.

We need to start working now on how we can build on the EU disability card and develop the AccessibleEU Centre into a genuine EU agency for accessibility.’ 

 

Background to the UN hearing: 

The UN Convention on the Rights of Persons with Disabilities (UN CRPD) is the first human rights convention to which the EU acceded as a group (2010). 
Like all other signatory states, the EU must also report to the UN on how it fulfils its obligations.
Over the next two days, dialogues will take place between European Union officials and a committee of experts.
The UN's concluding observations are expected in April. 

The hearing can be followed live from Tuesday (11 March) 15:30 here: https://webtv.un.org/en/asset/k14/k146hoxars