EU-Parlament stimmt für EU-Behindertenausweis Freizügigkeit für alle

19.04.2024

Soeben stimmte das Europäische Parlament mit einer großen Mehrheit (613 Stimmen von 631) für die Einführung eines EU-Behindertenausweises. 
Rat, Kommission und Parlament waren bereits im Februar zu einer Einigung gekommen. Die finale Verabschiedung hat der Rat nun auf die nächste Legislatur geschoben. Damit verlängert sich die Umsetzung. 

Die Grüne Schattenberichterstatterin Katrin Langensiepen ist selbst eine der wenigen Abgeordneten mit sichtbarer Behinderung und interparlamentarische Koordinatorin für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Sie kommentiert:

“ Der neue EU-Behindertenausweis ist ein Meilenstein für die Freizügigkeit von Menschen mit Behinderungen in der EU.
Gerade im Punkto Reisen wird der neue EU-Behindertenausweis das Leben von 80 Millionen Menschen in der EU sichtbar erleichtern. 

Leider werden Menschen mit Behinderung noch über drei Jahre warten müssen, bis sie die Vorteile des EU-Behindertenausweises nutzen können.
Die Mitgliedstaaten versuchen, die Umsetzung aufs Äußerste in die Länge zu ziehen.
Mit der Entscheidungen des Rates, die finale Verabschiedung der Verordnung auf die nächste Legislatur zu schieben, fällt dieses dringende Thema mal wieder hinten runter. Die Priorität des EU-Parlamentes war es, den Ausweis noch in dieser Legislatur auf den Weg zu bringen.
Die Mitgliedstaaten haben die Richtlinie auf 30 Monate verhandelt, mit weiteren zwölf Monaten bis zur ersten Ausstellung eines Ausweises.

Reisen, Arbeiten, Studieren in einem anderen EU-Land ist für Menschen mit Behinderungen immer noch keine Selbstverständlichkeit. 


Der neue EU-Behindertenausweis soll Menschen mit Behinderungen endlich die Sicherheit geben, dass ihr nationaler Behindertenstatus von Behörden und Dienstleistern in einem anderen EU-Land anerkannt wird und ihnen somit Zugang zu jeweils national geltenden Vorteilen geben.
Nationale Vorteile im Transport- oder Kultursektor gelten dann beispielsweise in Frankreich nicht nur für den französischen Menschen mit Behinderung, sondern auch für den deutschen oder polnischen Besucher mit Behinderung. Zudem konnten wir die Mitgliedstaaten dazu bewegen, nationale Webseiten aufzusetzen. Diese sollen relevante Informationen für eine Reise bündeln. Diese nationalen Webseiten sollen von der Kommission auf einer Seite zusammengeführt werden, um den Dschungel an Informationen übersichtlich zu halten.

Auch wenn der Ausweis nur für kurze Aufhalte (max. 3 Monate am Stück) gedacht ist und keinen Anspruch auf Sozialleistungen beinhaltet, ist ein besonderer Gewinn für uns Grüne ist, dass der Ausweis auch für Menschen, die an einem EU-Mobilitätsprojekt wie Erasmus teilnehmen über den Zeitraum von drei Monaten anwendbar ist.

Wir Grüne sehen den EU-Behindertenausweis als einen wichtigen Start und unabdingbare Basis für echte EU-Freizügigkeit von Menschen mit Behinderungen.
Wichtig ist, dass wir weiter darauf aufbauen. Langfristig wollen wir, dass mit dem Ausweis auch Sozialhilfen zugänglich werden und wir die demütigende Praxis beenden, dass Menschen mit Behinderungen ihre Behinderungen immer wieder aufs Neue beweisen müssen.
Außerdem müssen wir weiter auf europaweite Barrierefreiheit pochen. Denn was nützt mir die Ermäßigung, wenn ich nicht zum Zug komme? 

Menschen mit Behinderungen haben wie andere das gleiche Recht darauf, im EU-Ausland zu leben, zu reisen oder zu arbeiten. Unsere Aufgabe ist es, zu garantieren, dass ihnen entsprechende Hilfen bereitstehen, um dies diskriminierungsfrei zu tun. Der EU-Behindertensausweis ist ein guter Anfang.”



Hintergrund:

Was der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vorsieht:

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52023PC0512

Der Richtlinienvorschlag will die Einführung eines physischen und gleichzeitig digitalen EU-Behindertenausweises in allen Mitgliedstaaten -  zusätzlich zum nationalen Ausweis (dieser wird nicht ersetzt).

Damit sollen Menschen mit Behinderungen für kurze Aufenthalte im EU-Ausland (max. drei Monate am Stück) alle öffentlichen Vorteile in Anspruch nehmen können, die jeweils national gelten.

Damit wird es Menschen mit Behinderungen leichter, in anderen EU-Ländern:

  • Vergünstigungen im Kultur- und Tourismusbereich
  • Vergünstigungen im (Nah-)verkehr für sich und ihre Assistenz
  • Assistenzleistungen im Zug und öffentlichem Nahverkehr

wahrzunehmen.

Beispiel: Wenn in Frankreich für Menschen mit Behinderungen die Maut kostenfrei ist, gilt dies nun auch für alle anderen EU-Bürger*innen mit Behinderungen, wenn sie im Sommerurlaub die Autobahn in Frankreich nutzen.

Von der Karte ausgenommen ist jeglicher Anspruch auf Sozialleistungen.

Forderungen des EU-Parlamentes, die durchgesetzt werden konnten: 

  • Inhaber*innen eines europäischen Behindertenausweises, die an einem EU-Mobilitätsprogramm teilnehmen, verlieren durch den temporären Umzug und für die Dauer dieses Programms nicht ihren Anspruch auf Sozialleistungen.
  • Nach drei Jahren soll die EU-Kommission auch die Übertragbarkeit von Sozialleistung, Sozialschutz und Sozialhilfen prüfen.
     
  • Der EU-Behindertenausweis soll kostenlos sein und für den EU-Parkausweis soll eine kleine administrative Gebühr erhoben werden.
     
  • Die Kommission soll in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten eine europäische Sensibilisierungskampagne durchführen.
     
  • Jeder Mitgliedstaat soll eine barrierefreie Webseite betreiben, auf der transparent einsehbar ist, welche Vorteile national gelten.
    Auf einer zentralen EU-Webseite, die barrierefrei und alle 24 EU-Sprachen bereitstellt, sollen die relevanten Informationen gesammelt und auf die nationalen Webseiten verlinkt werden. 

Mehr Informationen zum EU-Behindertenausweis finden Sie ebenfalls hier:
www.greens-efa.eu/opinions/der-eu-behindertenausweis/

 

Forderungen des EU-Parlamentes, die NICHT durchgesetzt werden konnten: 

Zwischenlösungen für Menschen mit Behinderungen, die sich länger als drei Monate am Stück im EU-Ausland aufhalten.

Inhaber*innen eines europäischen Behindertenausweises, die sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben, um dort eine Arbeit aufzunehmen oder sich in eine Bildungseinrichtung einschreiben sollen mit dem Ausweis Anspruch auf Sozialleistungen bekommen - bis zu dem Moment der Anerkennung des neuen nationalen Behindertenstatus.