Wohnungskrise in Europa - Grüne fordern EU-Kommissar*in für Wohnen

04.03.2024

Am Dienstag (05.03.) treffen sich die EU-Minister*innen für Wohnen zu einer informellen Sitzung in Liège.
In einem Brief (im Anhang) fordern EU-Abgeordnete der Gruppe Greens/EFA mehr Handeln gegen die Wohnungskrise auf EU-Ebene.

Nach den Europawahlen fordern sie die Schaffung des Postens eines/r “EU-Kommissar*in für Wohnen” zur Umsetzung eines “European Housing Crisis Response Plan”, einem 5-Punkte-Plan der Greens/EFA Gruppe (im Anhang).

Die Grüne Europaabgeordnete Katrin Langensiepen, Vize-Vorsitzende des Sozialausschusses, kommentiert:

"Die Wohnungskrise ist ein europäisches Phänomen, das die EU nicht weiter ignorieren kann. Es ist an der Zeit, europäische Lösungen zu liefern.
Die EU-Kommission muss sich in der nächsten Legislatur dem Thema Wohnungsnot entschieden annehmen und einen Fonds dafür aufsetzen!

Klar muss werden: Wohnen ist in erster Linie ein Grundrecht und kein Spekulationsobjekt.

Von Dublin, Amsterdam bis Lissabon gehen Menschen auf die Straße, weil sie sich eine Wohnung schlicht nicht mehr leisten können.

Die durchschnittlichen Kosten für eine Wohnung in der EU waren Mitte 2023 fast 50 % höher als zum gleichen Zeitpunkt im Jahr 2010, und die Mieten sind allein im letzten Jahr um 3 % gestiegen.

Wir brauchen einen EU-Wohnungsbaufonds, der besonders ärmere Haushalte unterstützt, indem er einen speziellen Finanzierungsstrom für Renovierungen vorsieht, der vorrangig für schutzbedürftige Gruppen, wie Menschen in Energiearmut, eingesetzt wird. Gleichzeitig müssen wir aber auch Schutz gegen Zwangsräumungen aufgrund von Renovierungen garantieren.


Unter der Leitung eines/r “EU-Kommissar*in für Wohnen” muss die EU die Mitgliedstaaten und Regionen dabei unterstützen, mehr bezahlbaren und sozialen Wohnraum zu schaffen und den spekulativen Praktiken von Investmentfonds entgegenzuwirken.

Etwa 900.000 Menschen schlafen jede Nacht im Freien oder in Notunterkünften, und schätzungsweise 125 Millionen Menschen leben in Energiearmut.
Wir müssen das “Prinzip Housing First” zur Beendigung von Obdachlosigkeit EU-weit umsetzen.
Es ist an der Zeit zu handeln.”



European Housing Crisis Response Plan -
5-Punkte Plan der Gruppe Greens/EFA  (Dokument im Anhang) - 

1) Mehr erschwingliche und soziale Wohnungen:
Maßnahmen zum (Wieder-)Aufbau des öffentlichen Wohnungsbaus sollten im Mittelpunkt der europäischen Reaktion auf diese Krise stehen. Schätzungen zufolge beläuft sich die jährliche Investitionslücke im sozialen und erschwinglichen Wohnungsbau auf 57 Mrd. EUR. Mit privaten Geldern allein lässt sich diese Lücke nicht schließen, und auch der von den Bürgern benötigte erschwingliche und soziale Wohnraum wird damit nicht bereitgestellt. Um die europäischen Länder beim Bau von mehr erschwinglichem Wohnraum zu unterstützen, sollten die EU-Beihilfevorschriften geändert werden, um bestehende Hindernisse für öffentliche Investitionen in erschwinglichen und sozialen Wohnraum zu beseitigen. Im Rahmen des nächsten mehrjährigen Haushaltsplans ab 2027 sollte ein spezieller EU-Wohnungsbaufonds eingerichtet werden, in dem Mittel speziell für den Bau von erschwinglichem und sozialem Wohnraum bereitgestellt werden.

2) Förderung von Renovierung und Bau: 
Die Menschen, die am stärksten von den steigenden Energierechnungen betroffen sind, haben die niedrigsten Einkommen und leben in den Gebäuden, in denen am meisten Energie verschwendet wird, was sich oft negativ auf ihre Gesundheit auswirkt. Der EU-Wohnungsbaufonds sollte ebenfalls dazu beitragen, die Energierechnungen zu senken, indem er einen speziellen Finanzierungsstrom für Renovierungen vorsieht, der vorrangig für schutzbedürftige Gruppen, wie Menschen in Energiearmut, eingesetzt wird. Soziale Schutzmaßnahmen wie die vorrangige Gewährung von Renovierungszuschüssen und die vorrangige Förderung von Maßnahmen zum Ersatz von Heiz- und Kühlsystemen, die auf fossilen Brennstoffen basieren, sind Mittel, um dies zu erreichen. Ein zusätzlicher Schutz gegen Zwangsräumungen aufgrund von Renovierungen ist von wesentlicher Bedeutung. Die Europäische Kommission sollte auch eine Strategie entwickeln, um die Auswirkungen der steigenden Kosten für Baumaterialien abzumildern, ein Problem, das durch Inflation und steigende Zinssätze noch verschärft wurde.  

3) Beendigung der Obdachlosigkeit bis 2030:
Obdachlosigkeit ist keine Tatsache, und die EU muss Maßnahmen ergreifen, um diese extremste Form der Armut zu beenden. Im Jahr 2021 haben sich die Mitgliedstaaten mit der Erklärung von Lissabon zur Europäischen Plattform zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit darauf geeinigt, auf die Beendigung der Obdachlosigkeit bis 2030 hinzuarbeiten. Um dieses Ziel zu erreichen, muss "Housing First" ein zentraler Bestandteil der europäischen Obdachlosenpolitik werden. Die Europäische Plattform zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit sollte mit neuem Ehrgeiz und einem eigenen Budget gestärkt werden. Die Europäische Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten sollten Obdachlosigkeit als ein vielschichtiges Thema behandeln, indem sie es mit Maßnahmen in den Bereichen Gesundheit, Gleichstellung, Migration und Armut verknüpfen.

4) Strengere Überwachung von Kurzzeitvermietungen:
Die Wohnungskrise in vielen Städten und touristischen Gebieten in ganz Europa hat sich durch die rasche Zunahme der kurzfristigen Ferienvermietung über Plattformen wie Airbnb und Booking noch verschärft. Die gelegentliche Vermietung von Gästezimmern hat sich zu einem regelrechten Geschäftsmodell entwickelt, das von Investoren betrieben wird. Regierungen und Städte sollten in der Lage sein, bei Bedarf Beschränkungen und sogar Verbote zu erlassen. Die Kurzzeitvermietungsverordnung wird dafür sorgen, dass die Behörden endlich die Daten erhalten, die sie zur Durchsetzung der bestehenden Vorschriften benötigen, und sie sollte zügig umgesetzt werden. Die Europäische Kommission sollte  Die Europäische Kommission sollte sich nicht einmischen, wenn lokale und nationale Regierungen verhältnismäßige Maßnahmen ergreifen, um die negativen Auswirkungen von Kurzzeitmieten auf den Zugang zu Wohnraum in ihren Gebieten einzudämmen. Privater Gewinn sollte nicht Vorrang vor der Bereitstellung langfristiger erschwinglicher Wohnungen für die Menschen haben.

5) Bekämpfung der Wohnungsspekulation:
Wohnungen sind für Menschen da, nicht für Profit. Die Studie der Grünen/EFA "My homes is an asset class" zeigt auf, wie die europäischen Wohnungsmärkte finanziert wurden und wie dieser Prozess durch die Kapitalmarktunion der EU beschleunigt wurde. Zwar wird privates Geld für den Bau von mehr Wohnungen benötigt, doch müssen wir auf europäischer Ebene Maßnahmen ergreifen, um den untauglichen, spekulativen Praktiken von Investmentfonds wie Blackstone entgegenzuwirken. In erster Linie sollte ein Transparenzregister für Immobilientransaktionen und Eigentumsverhältnisse eingerichtet werden. Die nächste Kommission sollte auch den Beitrag der EU zur Finanzialisierung analysieren und einen Aktionsplan entwickeln, um die Spekulation durch europäische Rechtsvorschriften für Banken, Kapitalmärkte, staatliche Beihilfen, Haushalt, Steuern und Hypotheken zu bekämpfen.