Ausbleibende Kontrollen manifestieren den Missbrauch vieler Arbeitnehmer*innen

Rückgang der EU weiten Arbeitsinspektionen um ein Fünftel verschärfen die Gefahren für Saison- und Grenzarbeitnehmer*innen

04.05.2021
Erntehelfer*in mit Korb voller Spargelstangen. Im Hintergrund Spargelfeld und andere Erntehelfer*innen
Erntehelfer*in mit Korb voller Spargelstangen.

Letzte Woche kritisierte der Europäische Gewerkschaftsbund anlässlich des Welttags für Sicherheit und Gesundheit, dass in den letzten zehn Jahren die Arbeitsinspektionen in der EU um ein Fünftel von 2,2 Millionen auf 1,7 Millionen Besuche zurückgegangen sind. Am Wochenende kam es im Landkreis Diepholz zu einem erneuten Coronaausbruch bei Erntehelfer*innen, auf einem der größten niedersächsischen Spargel- und Beerenhöfe. Die Saisonarbeiter*innen, vor allem aus Osteuropa, befinden sich jetzt in einer "Arbeitsquarantäne". Das heißt, die Weiterarbeit ist gesichert, die Betroffenen pendeln zwischen Unterkunft und Feld, sollen Abstand zu den anderen halten, was in den Fahrten in den Gemeinschaftsbussen zwischen Arbeitsplatz und Unterkunft schlicht nicht möglich ist.

Katrin Langensiepen, niedersächsische Europaabgeordnete der Grünen und Vize-Vorsitzende des Sozialausschusses im Europaparlament kritisiert:

„Corona bringt erneut das hässliche Gesicht unserer auf ökonomischen Zwang aufgebauten Gesellschaft zum Vorschein. Laut Prinzip 5 der Europäischen Säule sozialer Rechte  haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Recht auf faire und gleiche Behandlung im Hinblick auf Arbeitsbedingungen und sozialem Schutz. Das gilt genauso für Gastarbeiter*innen. Denn Europäische Freizügigkeit muss sich nicht nur auf Arbeit sondern auch sozialem Schutz beziehen. Seit 2019 soll die Europäische Arbeitsbehörde (ELA) dafür sorgen, dass EU-Arbeitsrecht in allen Mitgliedsstaaten durchgesetzt wird. Gleichzeitig herrschen unter anderem in Deutschland riesige Lücken in der Regelung zu Sozial- und Beitragsabgaben, zur Einhaltung des Mindestlohns und der angemessenen Unterbringung der „kurzfristig“ Beschäftigten. Bereits letzten Juni hat das Europäische Parlament eine Entschließung verabschiedet, die EU-Mitgliedstaaten dazu auffordert, besseren Schutz der Arbeitsbedingungen von Saison- und Grenzarbeiter*innen zu garantieren.

Der durch Austerität begründete Rückgang der Arbeitsinspektionen ist ein klares Zeichen, dass die Mitgliedsstaaten ihren eigenen Zielen nicht nachkommen wollen. Der mangelhafte Arbeitsschutz droht sich trotz der Corona-Skandale in den Schlachtereien, Fabriken und jetzt erneut auf den Spargel- und Beerenfeldern zu manifestieren. Die miserablen, ausbeuterischen Arbeitsbedingungen müssen sofort enden. Die Verschiebung der Verantwortung auf Subunternehmen, die die zwangsläufig mobil tätigen Saison- und Grenzarbeiter*innen beschäftigen, muss EU weit korrigiert werden. Das Lieferkettengesetz ist ein Anfang. Aber alle Gesetze sind nur so stark, wie sie auch exekutiert und kontrolliert werden. Deshalb muss die ELA gestärkt werden. Sie braucht mehr Personal. Internationale Inspektionsteams müssen endlich den Missbrauch vieler Arbeitnehmer*innen beenden, ihren Gesundheitsschutz durchsetzen und die Anerkennung ihrer Arbeitsleistung für den gemeinsamen Wirtschaftsraum fördern.“