Europäisches Parlament fordert europäische Solidarität ein

EU-Finanzrahmen lässt zu wünschen übrig

23.07.2020

Nach tagelangen Verhandlungen hat der Europäische Rat am Dienstag seinen Entwurf für zwei Finanzpakete vorgelegt. Zum einen zum Wiederaufbaufonds von 750 Milliarden und zum anderen zum mehrjährigen Finanzrahmen der EU (2021 - 2027), der aktuell 1074 Milliarden betragen soll.
Heute verabschiedet das Europäische Parlament eine Entschließung zu diesem Vorschlag. Zum Wiederaufbaufonds äußert es sich überwiegend positiv. Beim mehrjährigen Finanzrahmen macht es hingegen deutlich, dass es zu Nachverhandlungen kommen muss.

Katrin Langensiepen, Grüne Europaabgeordnete für Niedersachsen und Bremen sowie Vize-Vorsitzende des Sozialausschusses, kommentiert:

„Die Ergebnisse des Rates sind mit gemischten Gefühlen zu bewerten.

Der Egoismus und Mangel an europäischem Denken während der Verhandlungen, gerade von den sparsamen Fünf (Dänemark, Schweden, die Niederlande, Finnland und Österreich), ist erschreckend kurzsichtig. Das Gerede von einer „Schuldenunion“ ist so grundfalsch wie die Idee einer sozialen und politischen Union richtig und notwendig ist.

Im Gegensatz zum nationalzentrierten Agieren der Mitgliedstaaten ist das Parlament hier und heute der eigentliche Garant Europas, der die verbindende europäische Idee tatsächlich lebt. Damit ist es viel näher am Willen der Bürger als so manche/r Staats- und Regierungschef*in.

Trotzdem ist es ein Erfolg und Meilenstein, dass die EU zum ersten Mal gemeinsame Schulden aufnimmt. Insgesamt bleibt es bei den von der Kommission vorgeschlagenen 750 Milliarden. Aus dem Wiederaufbaufonds werden schnelle Hilfen für die am stärksten betroffenen Mitgliedstaaten geschaffen. Programme wie „React-EU“ sorgen dafür, dass Fonds wie der Europäische Sozialfond oder der Europäische Hilfsfond für die am stärksten Benachteiligten erhöht werden. Damit können Unternehmen unterstützt und Kurzarbeitergeld finanziert werden sowie Soforthilfen für diejenigen geschaffen werden, die drohen in Armut abzurutschen. 

An mehreren Stellen mangelt es jedoch an Solidarität. Beispielsweise wurden die Zuschüsse zum „Just Transition Fund“ um 20 Milliarden gekürzt. Für uns als Grüne ist dies ein nicht nachvollziehbarer Schritt. Denn gerade dieser Fond soll Regionen bei der Klimawende unterstützen. Auch die Entscheidung das EU-Gesundheitsprogramm zur Vorbereitung künftiger Gesundheitskrisen zusammenzustreichen ist gerade angesichts der Corona-Pandemie eher unverantwortlich.

Was den aktuellen Entwurf zum Mehrjährigen Finanzrahmen betrifft, macht das Europaparlament klar, dass es diesem nicht zustimmen wird, solange es nicht zu einer Reform der Eigenmittel der EU kommt. Um langfristig handlungsfähig zu sein, braucht die EU eigene Ressourcen. Die vorgeschlagenen Punkte wie die Plastik- oder Digitalsteuer brechen in gewisser Weise mit bisherigen europapolitischen Tabus, sind aber lange nicht genug.
Kürzungen in den Feldern Klima, Digitales, Jugend und Soziales lassen zukunftsorientiertes Denken vermissen, so dass wir in jedem Fall in Nachverhandlungen gehen müssen.
Besorgt bleiben wir immer noch beim Punkt Rechtsstaatlichkeit. Wenn die EU tatsächlich für ihre Werte einsteht, muss die Vergabe von Geldern an eben diese Werte geknüpft werden.

Insgesamt bleibt es wichtig die Union schlagkräftiger aufzustellen und das lähmende Einstimmigkeitsprinzip im Rat abzuschaffen, um mit Mehrheitsbeschlüssen die EU als agile Akteurin nach innen und außen zu stärken.”