Behindertenpolitik

EU-Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderung

Sozialausschuss verabschiedet Entschließungsantrag

27.02.2020

Nach fast 10 Jahren haben es die EU-Mitgliedstaaten immer noch nicht geschafft, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Trotz bisheriger Bemühungen der Kommission werden Menschen mit Behinderung in der EU weiterhin in vielen Lebensbereichen diskriminiert. Sei es beim Wohnen, Arbeiten oder Reisen - geltende Menschenrechte werden hier nach wie vor ignoriert.

Für die tatsächliche Umsetzung der UN-Konvention fordert das Europäische Parlament nun, dass die Kommission eine ambitionierte und mutigere Strategie für die Zeit nach 2020 erarbeitet. Die aktuelle EU-Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderung läuft Ende des Jahres aus.

Auf Initiative von Katrin Langensiepen (Greens/EFA) wurde heute im Sozial-Ausschuss ein Entschließungsantrag zu diesem Thema verabschiedet. Am 11.03.20 geht der Antrag zur Abstimmung ins Plenum.

Im Entschließungsantrag fordert das Parlament eine Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderung nach 2020, die: 

  • klar definierte und verbindliche Ziele in einem festgelegten Zeitrahmen setzt
  • über ausreichende finanzielle Mittel verfügt
  • einen starken Monitoring Mechanismus mit entsprechenden Indikatoren etabliert, um die Situation in den Mitgliedstaaten besser nachvollziehen zu können
  • Menschen mit Behinderung, Familienmitglieder und ihre vertretenden Organisationen stärker in den Gesetzgebungs-, Umsetzungs- und Monitoring-Prozess einbindet und dafür angemessene Finanzierung und Kapazitätsaufbau einplant
  • Die Rechte von Menschen mit Behinderung in allen EU-Politikfeldern abbildet
  • unabhängiges, selbstständiges Leben, Assistenz und barrierefreies Wohnen fördert und De-Institutionalisierung voranbringt
  • Pflegende Familienmitglieder unterstützt und bezahlte Pflegezeit fördert
  • Das Projekt eines EU-Behindertenausweises in allen Mitgliedstaaten umsetzt
  • spezifische Maßnahmen bezüglich  intersektioneller Diskriminierung entwickelt (Mehrfachdiskriminierung aufgrund von Behinderung, Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung, sozioökonomischer Status etc.)
  • einen besonderen Fokus auf Geschlechtergleichheit setzt (insbesondere sind Frauen von Diskriminierung, Armut und Gewalt betroffen)
  • einen kindgerechten Ansatz verfolgt.
  • sich auch für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention außerhalb der EU-Grenzen einsetzt

Katrin Langensiepen, einzige weibliche Europaabgeordnete mit sichtbarer Behinderung und Vize-Vorsitzende des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, kommentiert:

Die EU muss Vorbild für inklusives Zusammenleben sein. Es kann nicht sein, dass immer noch gegen Menschenrecht verstoßen wird. Um Druck auf die Mitgliedstaaten auszuüben, muss die Kommission ein starkes Maßnahmenpaket für die Zeit nach 2020 erarbeiten. Dabei ist es besonders wichtig, dass wir verbindliche Ziele definieren und ihre Umsetzung in den Mitgliedstaaten verfolgen. Zurzeit gibt es nur wenig Daten, so dass es schwierig ist, die tatsächliche Situation in den Mitgliedstaaten nachzuvollziehen. Außerdem muss es zu einem Automatismus werden, dass die Rechte von Menschen mit Behinderung in allen EU-Politikfeldern mitgedacht werden. Kein EU-Geld darf in Projekte fließen, die gegen die UN-Behindertenrechtskonvention verstoßen.“

Zahlen zur Diskriminierung von Menschen mit Behinderung in der EU

  • 29 % aller Menschen mit Behinderung in der EU leben derzeit in Armut und erfahren soziale Ausgrenzung.
  • Nur die Hälfte aller Menschen mit Behinderung haben eine Anstellung, im Vergleich zu 75 % bei Menschen ohne Behinderung. 
  • In Deutschland sind Frauen mit Behinderungen zwei- bis dreimal häufiger von sexuellem Missbrauch betroffen als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt.