Dass der Übergang vom Assad-Regime zu einer neuen, gearteten Regierung nicht unproblematisch laufen würde, das war uns allen bewusst. Nach der ersten Freude und Neugier, wie das Land sich neu entwickeln kann, erfolgt Ernüchterung.
Es gibt keine gewählte Regierung in diesem Land. Syrien befindet sich immer noch in einer Übergangsregierung. Ein Präsident, der zwar Ministerin und Kanzlerin empfängt, aber nicht frei gewählt ist. Es gibt immer noch kein parlamentarisches System beziehungsweise die Aussicht darauf. Es war immer das Narrativ und die Erzählung, dass man das Land zusammenhalten möchte. Der neue Präsident Al Sharaa möchte ein Präsident für alle Syrer und Syrerinnen sein, die aktuelle Lage zeigt, dass er es wohl nicht kann.
Ende Februar war ich in Syrien (Suweida und Damaskus), habe zahlreiche Aktivistinnen und Organisationen getroffen und ganz viele Frauen. Die Motivation, etwas zu erneuern, war groß, aber auch die Angst vor einer Regierung.
Es dauerte nicht lange, da gab es die ersten Übergriffe auf Aleviten, Drusen, Christen. Mal sehr lokal, mal sehr breit.
Wir sehen, dass der derzeitige Präsident das Land nicht unter Kontrolle hat. Vielleicht auch nicht unter Kontrolle haben will. Nein, es ist keine lupenreine demokratische Regierung, und es ist immer noch – wir konnten es ja auch nicht anders erwarten – kein demokratisches Land.
Derzeit sehen wir die größte humanitäre Katastrophe seit dem Sturz des Assad-Regimes. Und hier betrifft es die Drusen.
Wer hier nun Schuld hat beziehungsweise die Lage befeuert, ist erst mal nicht mein allererstes Problem. Wir als westliche Abgeordnete, Minister*innen und Politikerinnen – uns muss klar sein: Wenn wir mit einem Al Sharaa verhandeln, gilt: Jeder Support wird nur Erfolg haben, wenn jede Form der Minderheiten geschützt wird. Das Ergebnis bisher: Minderheiten sind nicht geschützt.
Es bedarf jetzt einer lauten, starken Stimme seitens der Kommission (Frau Kallas), aber auch der deutschen Bundesregierung, dass ihnen die Situation der Menschen in Syrien nicht egal ist. Syrien ist direkt vor unserer Haustür. Wir haben eine enge Verbindung mit den Menschen, mit ihrer Geschichte – und sie mit uns. Es muss klar sein, dass jede humanitäre Hilfe den Menschen vor Ort zugutekommen muss. Dass das Bedrohen, Ermorden ein Ende haben muss. Der Präsident Al Sharaa muss sich klar positionieren und klarmachen, dass Worte nicht nur Worte sind – sondern dass auch Taten folgen müssen.
Humanitäre Hilfe – jetzt für die betroffenen Menschen in Syrien.