Europäischer Protesttag von Menschen mit Behinderungen

800.000 Menschen mit Behinderungen wurden bei der letzten Europawahl rechtlich davon ausgeschlossen zu wählen

03.05.2024
Katrin Langensiepen

Bericht zur praktischen Ausübung des Wahlrechts durch Menschen mit Behinderungen bei der Europawahl:
https://www.eesc.europa.eu/sites/default/files/files/qe-02-19-153-de-n.pdf

Am 5. Mai (Sonntag) ist der Europäische Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. 

Die Grüne Europaabgeordnete Katrin Langensiepen, Koordinatorin für die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Europäischen Parlament, kritisiert wie Menschen mit Behinderungen politisch weiter ausgeschlossen werden: 

800.000 Menschen mit Behinderungen wurden bei der letzten Europawahl rechtlich davon ausgeschlossen zu wählen. Das ist ein Skandal und beschämend für die Europäische Union als sogenannte Hüterin der Menschenrechte. Perspektivisch wird sich diese Diskriminierung aber auch dieses Jahr weiterziehen.

Nur 13 Länder gewähren das Wahlrecht für Menschen mit Behinderungen unabhängig von ihrem Betreuungsstatus. In Deutschland hat es bis 2019 gedauert, bis dies durch eine Klage am Bundesverfassungsgericht geändert wurde.

In sieben Ländern, darunter Portugal, Dänemark und Slowenien, ist es Menschen mit Behinderungen nicht erlaubt, das Wahllokal mit ihren Betreuern zu betreten. In 15 anderen Ländern dürfen Menschen mit bestimmten Behinderungen nicht kandidieren. 
Von Gleichstellung kann hier nicht die Rede sein.

Wir brauchen Wahlrecht für alle, barrierefreie Informationen und Wahllokale, aber auch mehr Menschen mit Behinderungen in der Politik. 

“Nichts über uns ohne uns ist nicht” ist nicht nur ein netter Slogan, sondern wegweisend, wenn es um die Formulierung von Gesetzesinitiativen geht. Nicht alle Menschen mit Behinderungen müssen per se Behindertenpolitik machen. In meiner Zeit im Europaparlament habe ich aber gemerkt, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, ob ein Mensch mit Behinderung am Verhandlungstisch sitzt oder nicht. 

In der letzten Legislatur haben wir viel vorangebracht, die EU Strategie Zugunsten von Menschen mit Behinderungen 21-30, den neuen EU-Behindertenausweis, ein neues EU Zentrum für Barrierefreiheit.  

Doch fast 15 Jahre nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention sind wir immer noch weit entfernt von einem inklusiven Europa. Immer noch dominieren ableistische Strukturen und der Grundgedanke, dass wir Menschen mit Behinderungen “geschützt” und abgeschottet werden müssen. 

Wir brauchen inklusive Beschulung, wir müssen weg von Einrichtungen hin zu selbstbestimmtem Leben, selbstgewählter Assistenz, und universellem, barrierefreien Design, Wohnen und Mobilität für alle. Dafür braucht es mutige Gesetzesinitiativen und gezielte Finanzierungen. 

Dafür möchte ich in der nächsten Legislatur weiter kämpfen, hoffentlich mit mehr Menschen mit Behinderungen an meiner Seite.
Als ich 2019 in das Europäische Parlament einzog, war ich die einzige Frau mit sichtbarer Behinderung von 705 Abgeordneten.”

Zahlen zu Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen in der EU: 
https://www.consilium.europa.eu/de/infographics/disability-eu-facts-figures/